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ÜBER UNSERE VERGESSENEN KULTURVEREINE

Es wird wieder über Kultur gesprochen. Sechs Wochen nach dem Shutdown rückt das Thema endlich in den politischen Fokus.


Sechs Wochen gab es dazu Funkstille, obwohl es von Anfang an klar war, dass die Kunst- und Kulturschaffenden von den Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen werden.

Dass wir endlich breitenwirksam über Kulturpolitik nachdenken, habe ich mir lange gewünscht. Der Hintergrund, vor dem das nun geschieht, entspricht jedoch einem Albtraumszenario. Kaum eine Berufsgruppe muss angesichts des Shutdowns so hart ums Überleben kämpfen. Kaum ein Bereich wurde von den Maßnahmen gegen Corona so hart getroffen.


KULTURNATION ÖSTERREICH

"Österreich ist eine Kulturnation." So beginnt aktuell nahezu jedes Politikerstatement und jeder Kommentar. Auch wenn der Begriff "Kulturnation" nicht näher definiert wird, und mich diese hochtrabenden Bekenntnisse angesichts des kulturpolitischen Reform- und Konzeptstaus der letzten Jahre ärgern, ist es erfreulich, dass Kunst und Kultur als grundlegende Säulen unseres Staats und unserer Gesellschaft wahrgenommen werden.


Der Kunst- und Kultursektor ist dabei nicht nur aus abstrakten Gründen substanziell. Er ist ein großer Wirtschaftsfaktor mit ca. 6 Milliarden € jährlicher Wertschöpfung und mehr als 100.000 Beschäftigten, und somit ein Fundament der österreichischen Standortqualität.


PLANLOSIGKEIT

"Kunst ist eine Konstante. Sie ist es, was uns alle verbindet." Mit diesem poetischen Zitat von Jeff Koons startete die Pressekonferenz von Staatssekretärin Ulrike Lunacek. Was dann folgte, war deutlich ernüchternder. Nach sechs Wochen staunt man über völlige Perspektiven- und Planlosigkeit. Die Bundesregierung hat sich zwar augenscheinlich Gedanken darüber gemacht, wie es hierzulande auf Theaterbühnen zugeht. Und zwar "oft heftig" mit Schlägereien und Schmusen, im Sinne des Sicherheitsabstands somit undenkbar. Auch Liebesszenen beim Filmdreh wären mit Mundschutz wohl weniger charmant. Schließlich wurde Konsens darüber hergestellt, dass "eine Kabarettistin" auf der Bühne wohl keinen der nichtvorhandenen Nebendarsteller anstecken kann, Blasmusik als "potenzielle Virenschleuder" wohl zu gefährlich wäre.


Ansonsten erfährt man, dass man stolz sei, auf die bisherigen Maßnahmen. Alles Weitere sei nach wie vor in Planung. Man dankt allen für die schönen Balkonkonzerte und tritt ab.

Hätte man im Vorfeld mit Kunst- und Kulturschaffenden, mit Expertinnen und Stakeholdern, gesprochen, hätte man sich diesen peinlichen Auftritt erspart. Man hätte ein Konzept entwickelt, eine Perspektive gegeben, oder zumindest eine jener Lücken im Netz der Unterstützungsmaßnahmen schließen können, durch welche so zahlreiche Kunst- und Kulturschaffende derzeit fallen.

VERGESSENE VEREINE

Über bisherige Unterstützungsmaßnahmen für Kunst- und Kulturschaffende habe ich hier einen Überblick erstellt. Vergessen hat man dabei aber auf gemeinnützige Kulturvereine. Diese haben noch immer keinen Anspruch auf den Härtefallfonds der Wirtschaftskammer. Und das, obwohl sie durch den staatlich verordneten Shutdown in ihrem Bestehen akut gefährdet sind.


Eine Erhebung der IG Kultur zeichnet ein besorgniserregendes Bild:


Ab Mai erwartet ein Drittel der Kultureinrichtungen nur mehr eingeschränkt zahlungsfähig zu sein, ein weiteres Viertel zahlungsunfähig zu sein. Sollte das Veranstaltungsverbot bis Ende Juli gelten, so werden in Summe österreichweit knapp 11.000 Veranstaltungen ausfallen. Der befürchtete Schaden bis Ende Juli würde sich somit auf insgesamt 10,7 Millionen € belaufen. 

Besonders jene Kulturvereine, die keine Förderungen erhalten und sich aus dem laufenden Betrieb finanzieren, stehen nun komplett alleine dar. Wenn wir nicht rasch eingreifen, riskieren wir das Fortbestehen der freien Szene.
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