top of page

BUDGETDEBATTE: ZUR WIENER KULTURPOLITIK

Die Pandemie hat mit Eintreten des ersten Lockdowns im März 2020 tiefe Spuren im Wiener Kulturleben hinterlassen und für eine einschneidende Destabilisierung gesorgt. Gleichzeitig wurde mit der Pandemie auch der politische Reform- und Konzeptstau in der österreichischen Kulturpolitik der letzten Jahre aufgezeigt.


Während die Bundesregierung es verpasst, eine nachhaltige kulturpolitische Strategie zu entwickeln, schlagen wir in Wien einen anderen Weg ein. Jenen Weg, der dem Ruf Wiens als Kulturmetropole gerecht wird. Der auf einem fortschrittlichen Kulturverständnis beruht. Kunst und Kultur sollen begeistern. Sie sind Basis für eine lebendige und demokratische Gesellschaft. Sie schaffen soziale Räume, die für die Gesamtheit und Vielfalt der Bevölkerung offen sein müssen. Kunst und Kultur wirken identitätsstiftend.


STRATEGIE STATT SONNTAGSREDE

Kultur wird in der Fortschrittskoalition den hohen Stellenwert haben, den sie verdient und den alle Kunst und Kulturschaffenden dieser Stadt verdienen. Diese Einstellung spiegelt sich auch im Budget für das nächste Jahr wieder. Trotz schwierigen Zeiten ist es gelungen, das Kulturbudget nicht nur zu halten, sondern um 3,3 Mio. Euro zu steigern.


Es reicht aber nicht, sich auf das Aufstellen finanzieller Mittel zu beschränken. Wir haben den Anspruch, die durch die Coronakrise sichtbar gewordenen Schwächen des Kulturbetriebs zu beheben. Deshalb haben wir im Koalitionsabkommen den Weg zu einer kulturpolitischen Strategie festgeschrieben, der den Herausforderungen der nächsten Jahren gewachsen ist. Gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren aus dem Kultursektor wird hierbei das zukünftige kulturpolitische Profil der Stadt sichtbar werden und in Visionen und Zielsetzungen münden.


FAIR PAY

Wien ist eine Stadt der Kunstschaffenden. Dennoch ist der Kulturbereich von prekären Arbeitsbedingungen, niedrigen Honoraren, geringen Löhnen, unsicheren Arbeitsverhältnissen und massiven Lücken im Versicherungsschutz geprägt.


Hier gilt es, mit gezielten Fair-Pay-Maßnahmen gerechte und angemessene Bezahlung, faire und transparente Strukturen sowie das Zusammenspiel von institutionellem und freiem Arbeiten zu verbessern. Gemeinsam mit den Interessensvertretungen erarbeiten wir Richtlinien für Honoraruntergrenzen für unterschiedlichste kulturelle Bereiche und dehnen die kollektivvertraglichen Vereinbarungen auf stadtnahe Institutionen aus. Zugleich setzen wir uns auf Bundesebene für ein modernes, an die Arbeitsrealität der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler angepasstes Modell und für eine Reform des Arbeits-, Steuer und Sozialversicherungsrechts ein.


Zeitgemäße Arbeitsformen müssen endlich ermöglicht werden, Schutz vor Altersarmut endlich gewährleistet sein.


MEHRJAHRESFÖRDERUNGEN

Das Wiener Fördersystem der vergangenen Jahre hat sich dadurch ausgezeichnet, Förderungen breit zu vergeben, wodurch viele neue Initiativen entstehen konnten. Es fehlte jedoch oftmals an Planungssicherheit. Wenn man nicht weiß, wie hoch das Budget nächstes Jahr ist, kann man auch nicht vorausschauend planen.


Deswegen haben wir uns im Koalitionsabkommen auf das Ziel geeinigt, verstärkt Mehrjahresförderungen zu vergeben. Damit geben wir Kulturinitiativen die Sicherheit und den Handlungsspielraum, den sie brauchen, um langfristige Investitionen tätigen zu können, um das kulturelle Leben der Stadt fortdauernd zu bereichern. Es muss auch jungen Projekten ermöglicht werden, zu prosperieren und zu neuen Institutionen wachsen zu können. Auch deshalb streben wir es an, regelmäßige Valorisierungen beim Kulturbudget vorzunehmen.


KULTURELLE STADTENTWICKLUNG

Kulturelle Infrastruktur ist gegenwärtig in Wien vor allem im innerstädtischen Raum konzentriert. Zugleich mangelt es an leistbaren Proberäumen, Ateliers und Veranstaltungsorten. Durch fachübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Ressorts machen wir Kulturpolitik erstmalig zum Teil der Stadtentwicklung. Wir nennen das Kulturelle Stadtentwicklung. Durch Nutzung von Leerstand, den Ausbau von Vorhandenem, die Schaffung von Synergien, bis hin zu neuen architektonischen Konzepten wird die Kultur wahrnehmbar sein. So werden Räume geschaffen, die gemeinsam von Kulturschaffenden und Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt werden.


Kultur soll bis an die Grenzen der Stadt spürbar sein und besonders in den bevölkerungsreichen Bezirken gestärkt werden. Bei diesem Vorhaben werden wir sehr rasch in eine konkrete Wirksamkeit kommen. So unterstützen wir kulturelle Ankerzentren, wie beispielsweise das Kulturhaus Brotfabrik in Favoriten, F23 in Liesing oder Soho im Ottakringer Sandleitenhof mit 1 Million Euro. Auch unterstützen wir die Weiterentwicklung partizipativer Bezirkskulturprojekte.


Auf diese Art schaffen wir soziale Räume, die identitätsstiftend wirken und das Gefühl der Zugehörigkeit und Teilhabe unterschiedlicher Communities am Leben der Stadt vermitteln. Daraus entsteht Gemeinschaft. Aus diesem Grund ist es uns ein zentrales Anliegen, nachhaltig Infrastruktur in dieser Qualität zu fördern.


Diese Räume müssen zugänglich, leistbar und erlebbar sein. Erst dann wird Kunst und Kultur in ihrer Ganzheit Wirkung entfalten.


ZUGÄNGLICHKEIT

Kunst und Kultur muss in einer modernen Stadt für alle zugänglich sein und darf nicht von Alter, Einkommen oder Herkunft abhängen. Deshalb wollen wir Gratis-Angebote und Kulturvermittlung in der Stadt ausbauen, um besonders Kinder und Jugendliche anzusprechen. In einem Kooperationsprojekt mit dem Wien Museum werden die Bezirksmuseen sowohl technisch zeitgemäß ausgestattet, als auch gemeinsam von Curatorial fellows und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inhaltlich an moderne Museums-Standards angepasst.


Der freie Eintritt in die neue Dauerausstellung des Wien Museums nach Beendigung der Umbauarbeiten macht die Stadtgeschichte für alle erlebbar. Wir arbeiten an neuen Formaten und Angeboten, die ein leistbares und kostenloses Programm für alle bietet. Mit dem Kultursommer soll das vielfältige Kulturangebot am eigenen Wohnort noch erlebbarer gemacht werden.


FLIMSTANDORT WIEN

Weiterentwickeln werden wir auch den Filmstandort Wien, in dem 6000 Filmschaffende und 3000 Unternehmen in der Filmbranche tätig sind. Das ist ein enorm hohes kreatives Potential, welches wir mit einer zusätzlichen Million Euro unterstützen werden, damit Wien zukünftig ein noch attraktiverer Filmstandort mit einer weiter wachsenden, breiten Filmszene wird.


PRODUKTIONSBÜRO FÜR URBANE KULTURARBEIT

Es ist auch Aufgabe der Politik, ein Umfeld zu schaffen, welches der Kreativität und dem Unternehmergeist der Menschen entgegen kommt. Deswegen schaffen wir das Produktionsbüro für urbane Kulturarbeit. Diese Stelle wird junge Initiativen bei der Umsetzung ihrer Ideen, bei der Leitung von spartenübergreifenden Großprojekten und bei der Sichtbarmachung dieser Unternehmungen unterstützen, sowie die Vernetzung mit relevanten Akteurinnen und Akteuren ermöglichen.


Darüber hinaus verankern wir hier eine Expertise für innovative Kunst- und Kulturvermittlung, um mit zeitgenössischen Konzepten gezielt Publikum zu involvieren und somit Kunst und Kultur spürbar in den gesamten Stadtraum zu bringen.


ERINNERUNGSKULTUR

Wir verstehen Wien als eine weltoffene Stadt, die schon bisher und auch weiterhin entschieden gegen aufkeimende rassistische, hetzerische und antisemitische Tendenzen in unserem Land vorgeht. Aus diesem Grund ist die fortlaufende Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte essentiell.

Im nationalen und internationalen Dialog mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft werden wir einerseits eine Strategie für den Umgang mit historisch belasteten Erinnerungsorten und Denkmälern im öffentlichen Raum erarbeiten, und andererseits das Projekt zur kritischen Auseinandersetzung mit der Namensgebung Wiener Straßen weiterführen. Ziel ist es, vermittelnde Zugänge für eine aktive, zeitgemäße Erinnerungskultur zu schaffen.


Während sich das Mahnmal für die Opfer der Homosexuellenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus bereits in Umsetzung befindet, werden wir in dieser Legislaturperiode auch eine Verortung des Gedenkens für Roma und Sinti vorantreiben.


KOOPERATION, PARTIZIPATION, AUGENHÖHE

Bei Umsetzung dieser und der vielen weiteren Projekte, auf die wir uns in der Fortschrittskoalition geeinigt haben, werden wir mit Akteurinnen und Akteuren aus der Kulturbranche auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Gelungene Kooperation und Partizipation sind Bedingung und Garant für den Erfolg unserer Projekte.

Dabei entspricht es meinem Koalitionsverständnis, nicht in eigenen und fremden Projekten zu denken, sondern in gemeinsamen. Gerade im Wiener Kulturbereich hat dieses gemeinsame Denken, das gemeinsame Tun bereits Tradition. Gute Kulturpolitik bedeutet für mich auch eine gute Kultur des Miteinander.

Demnach sehe ich voller Zuversicht und Tatendrang auf die kommenden Jahre, und freue mich auf die Chance, jene Konzepte umzusetzen, die eine nachhaltige Verbesserung für die Wiener Kunst und Kultur bedeuten.


Meine Wortmeldung zu den kulturpolitischen Projekten der Fortschrittskoalition, abgegeben im Rahmen der Debatte um den Budgetvoranschlag 2021:




130 Ansichten

Comments


bottom of page